Wie integriert man eigentlich Solarzellen in ein Elektroauto? Eine einfache Frage, die Lösung komplex. Besonders wenn sich die Solarzellen nicht nur auf dem Dach, sondern auch am Heck, den Türen, den Kotflügeln und der Motorhaube befinden. Welche technischen Hürden es dabei zu meistern gilt und warum wir einen neuartigen Spannungskonverter entwickeln mussten, erzählt euch unser Experte für Photovoltaik-Leistungselektronik, Christian.
Wenn jemand als Laie über die Integration von Solarzellen in ein Fahrzeug nachdenkt, dann erscheint das Prinzip sehr einfach: Solarmodule drauf, mit der Batterie verkabeln, fertig. Das klingt vielleicht unkompliziert, ist in der Praxis allerdings sehr komplex. Besonders, wenn man Photovoltaikzellen nicht nur an einer, sondern mehreren Stellen der Fahrzeugkarosserie integriert. Die Bewältigung dieser Aufgabe erfordert ein hohes Maß an Expertise in einer Vielzahl von Bereichen, wie etwa Photovoltaik, Elektrotechnik und Fahrzeugdesign. All diese Kompetenzen haben wir in unserem Team vereint, um die effizienteste Lösung für den Sion zu entwickeln.
Zusammen mit unseren Partnern haben wir nicht nur eine eigene, vollkommen neuartige Technologie zur Integration der Zellen entwickelt, sondern auch ein Gerät, das die Nutzung des Solarstroms überhaupt erst ermöglicht. Wir nennen dieses Gerät „MPPT Central Unit“. MPPT steht dabei für die in der Photovoltaik gängige Bezeichnung Maximum Power Point Tracking.
Damit wir die Solar-Integration für den Sion realisieren können, mussten wir auch bei der Entwicklung alles neu denken und sicherstellen, dass alle Fahrzeugkomponenten für die Integration der Solarkomponenten optimal vorbereitet sind. Eines ist dabei klar: Der Sion ist als Solarfahrzeug entwickelt worden. Jede Entscheidung in der Fahrzeugentwicklung, auch wenn sie noch so trivial erscheinen mag, wird von uns immer auch in Hinblick auf die Effizienz des Photovoltaik Systems getroffen.
Die optimale Leistung für jede Zelle
Eine wichtige Rolle spielt dabei das MPPT. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, das die elektrische Belastung eines Solarmoduls so anpasst, dass die Zellen ihre optimale Leistung liefern können. Nicht jede Zelle liefert dieselbe Menge an Leistung, denn unser Energielieferant, die Sonne, ist ständig in Bewegung.
Außerdem zeigen nicht alle Solarzellen am Sion in die gleiche Richtung. Damit ändert sich zum Beispiel die Stärke der Einstrahlung und die Temperatur an den Photovoltaikmodulen. Bevor der erzeugte Strom also in die Batterie gespeist werden kann, müssen einige elektrische Anpassungen vorgenommen werden – und da kommt die MPPT Central Unit ins Spiel.
Es gibt verschiedene Schritte in der Konvertierung von Spannung. Die MPPT Central Unit vereinigt zuerst die unterschiedlichen Modulspannungen auf ein gemeinsames Niveau unter 60 Volt. Erst dann erfolgt die Umwandlung auf die Spannung der Hochvoltbatterie. Diese liegt zwischen 300 und 400 Volt.
Wie bei jeder Umwandlung von Leistung entstehen dabei elektrische Verluste. Unsere Aufgabe war es herauszufinden, wie effizient die Konvertierung unterschiedlicher Spannungslevel ist und wie wir sie optimieren können. Denn am Ende zählt natürlich die Frage: Wie viel Prozent des in den Zellen erzeugten Stroms kommt in der Batterie an?
Solarmodule zur Integration in ein Fahrzeug zu entwickeln ist eine Sache, doch diese dann am Fahrzeug optimal auszurichten und den Strom für die Batterie und den Vortrieb bereitzustellen, das könnte man als die Königsdisziplin bezeichnen. Den ersten Prototypen des Geräts, das wir bei Sono Motors genau für diese Aufgabe entwickeln, konnten wir bereits Anfang des Jahres testen.
Forschung und Entwicklung für ein gemeinsames Ziel
Die MPPT Central Unit ist in einer sehr engen Zusammenarbeit mit ausgewählten Partnern entstanden. Um alles perfekt für den Anwendungszweck im Fahrzeug abzustimmen, war es eine der wichtigsten Aufgaben die richtige elektronische Architektur für das Gerät zu entwerfen, die Schaltpläne zu überprüfen und passende Bauteile auszuwählen, die für den Einsatz in Straßenfahrzeugen zugelassen sind.
Die erfolgreiche Konzeption und Integration innerhalb des Fahrzeugs ist eine Aufgabe, die unser Team besonders antreibt, da Sono Motors das erste Unternehmen ist, das einen solchen Solar-Konverter nicht allein zu Forschungszwecken, sondern zur Verwendung in einem Serienfahrzeug etabliert.
Um ein solches Projekt zum Erfolg zu führen, braucht es nicht nur die Expertise innerhalb unseres Teams, sondern auch kompetente Partner. Die Firma Tecnalia aus Bilbao, Spanien, ist einer davon. Das private Forschungsinstitut gehört im Bereich der regenerativen Energien zu den größten Einrichtungen seiner Art und unterstützt uns besonders beim Entwickeln und Testen der MPPT Central Unit. Das Team vor Ort arbeitet mit unseren Ingenieuren zusammen begeistert am Projekt. Die bisherigen Ergebnisse, sprechen für ihre jahrelange Expertise in diesem Bereich. Die erfolgreiche Testphase des Prototypen macht uns bereits jetzt sehr zuversichtlich, die gesteckten Ziele zu erreichen.
Die ersten Testergebnisse haben unsere Erwartungen sogar übertroffen. Das bezieht sich besonders auf die Konverter-Effizienz. Sie beschreibt das Verhältnis der erreichbaren Ausgangs- zur Eingangsleistung und ist damit ein Maß für die entstandenen Verluste. Der bei unseren ersten Tests über verschiedene Szenarien erreichte Mittelwert von 94 Prozent ist schon jetzt Topniveau. Wir sind zuversichtlich, dass wir mit etwas mehr Feinjustierung sogar noch bessere Ergebnisse erzielen können.
Maximale Leistung von den Solarmodulen bis zur Batterie
Die Integration der Solarzellen hat Auswirkung auf jeden Bereich der Fahrzeugentwicklung. Besonders Fahrzeugdesign und Solar-Integration müssen sich eng miteinander abstimmen. Ein gutes Beispiel sind Türgriffe: Wie genau platziere ich sie an der Karosserie, damit die Solarmodule ideal integriert werden können? Ändert sich hier ein Parameter, ändert das die komplette Leistungsrechnung, also auch die Spannungslevel, die die MPPT Central Unit umwandeln muss. Intern ist deshalb eine kontinuierliche Abstimmung zwischen Ingenieuren und Designern notwendig.
Wir haben dafür ein eigenes VIPV (Vehicle-Integrated Photovoltaics) Team zusammengestellt, das von unserem Director of Photovoltaic Integration, Mathieu Baudrit, geleitet wird. Hier stimmen wir jede Entwicklungsentscheidung und deren Auswirkungen auf die Photovoltaik-Integration miteinander ab, beispielsweise auch die Verkabelung der Fahrzeugkomponenten. Daher muss die komplette Übertragungsstrecke von den Solarpaneelen bis zur Batterie auf maximalen Ertrag getrimmt werden.
Je mehr die Batterie mit Solarstrom geladen wird, desto effizienter ist das Gesamtsystem. Deshalb lädt der Sion immer, stehend oder fahrend, und auch bei diffusem Licht. Die MPPT Central Unit ist so verschaltet, dass der Solarstrom ohne Umwege für Motor und Hilfsaggregate genutzt werden kann. Der Vortrieb wird beim Sion also direkt mit Energie der Sonne unterstützt.
Weitere Tests für optimierte Leistung
Die erste Entwicklungsstufe der MPPT Central Unit ist abgeschlossen. Die nächsten Wochen und Monate werden wir nutzen, um die elektrische Architektur und das mechanische Design des Gerätes weiter zu optimieren. Auch wichtig sind nun weiterführende Tests im Hinblick auf die elektromagnetische Verträglichkeit, also einerseits die Bestimmung der Aussendung ungewollter Signale und andererseits der Störfestigkeit gegenüber Einflüssen von außen.
Wir werden die MPPT Central Unit außerdem im Volllastbetrieb über einen längeren Zeitraum hohen Umgebungstemperaturen aussetzen, um zu sehen, wie sie performt. Wir identifizieren damit diejenigen Bauteiltemperaturen, die das Fahrzeugsystem jederzeit genau im Blick behalten muss, um einen sicheren und effizienten Betrieb des Geräts über viele Jahre gewährleisten zu können.
Sobald sich die aktuelle Lage aufgrund des Coronavirus wieder entspannt, werden wir auch unsere Test-Benches an unserem Standort in München noch weiter ausbauen. So können wir mit PV-Simulatoren dann das Verhalten der Solarzellen bei unterschiedlichen Temperaturen und Lichteinfall für die Feinjustierung der MPPT Central Unit simulieren. Ich kann es kaum erwarten und spreche für das gesamte Team, wenn ich sage, dass wir für diese Technologie brennen.
Der Ausbau der Benches, die Fertigung der neuen Prototypen – dieses Jahr wird aufregend und extrem arbeitsintensiv, aber unser Ziel rückt immer näher. Mit unserer Solar-Integration entwickeln wir eine klimafreundliche Ladelösung, die das Potenzial hat, den Markt langfristig vollkommen zu verändern.